Australien schließt „Dingo-Mordfall“ ab
admin 8. Juni 2016
Es war als idyllischer Campingausflug einer jungen Familie geplant und endete in einem Alptraum, dessen Folgen ein ganzes Land über 32 Jahre in Atem halten sollte. Nun ist der sogenannte „Dingo-Mordfall“ nach 32 langen Jahren juristisch endgültig zu den Akten gelegt worden.
Was an diesem schicksalhaften Tag im australischen Outback geschah, steht in Zusammenhang mit dem Verschwinden und dem mutmaßlichen Tod der damals neun Wochen alten Azaria Chamberlain. Nur kurz hatte die junge Mutter, Lindy Chamberlain-Creighton, das Zelt mit dem Kleinkind in der Nähe des Ayers Rock zurückgelassen als laute Schreie ihres Kindes sie zum Nachsehen veranlassten. Doch statt ihres Kindes fand die Mutter, nach eigenen Angaben, ein leeres Zelt vor. Statt dessen sichtete sie in der näheren Umgebung des Zeltes einen australischen Wildhund, auch Dingo genannt. Sorgenvoll informierte sie daraufhin umgehend die Behörden, die jedoch keine Spur des Kindes fanden.
Für die Frau stand alsbald fest, dass nur der Dingo für das mysteriöse Verschwinden des Babys verantwortlich sein könne. Die australische Bevölkerung und nicht zuletzt die Gerichtsbarkeit gingen jedoch der Theorie nach, dass die Mutter selbst für das Verschwinden verantwortlich sei. Ein erstes Gerichtsverfahren verurteilte Lindy wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe, obwohl sie stets an ihrer Version der Geschehnisse festhielt. Azarias Vater wurde wegen Beihilfe zum Mord zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Während ihrer Haftstrafe kam das vierte Kind des Paares zur Welt. Drei Jahre verbrachte Lindy bereits in Haft, als die Jacke des Kindes gefunden wurde. Aufgrund von Spuren festigte sich der Eindruck, dass die Mutter zu Unrecht des Mordes bezichtigt wurde. Im Jahr 1986 erfolgte die Entlassung aus dem Gefängnis und eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Eine juristische Klärung konnte jedoch vorerst nicht herbei geführt werden, was 1995 zur Einstellung führte. Erst nachdem Dingos 2001 und 2005 zweifelsfrei für die tödlichen Angriffe auf einen neunjährigen Jungen und ein zweijähriges Mädchen verantwortlich gemacht werden konnten, galt die Erklärung der Mutter als juristisch belastbar.
Ein Gericht im australischen Darwin, unter dem Vorsitz der Untersuchungsrichterin Elizabeth Morris, stellte nun zweifelsfrei fest, dass ein oder mehrere Dingos für die Tat verantwortlich gewesen sein müssen. Die Eltern sind somit von allen Tatvorwürfen entlastet. Den Schmerz über den Verlust des Kindes sowie über die juristische und gesellschaftliche Odyssee dürfte dieses Urteil jedoch nur begrenzt mildern. Die inzwischen geschiedenen Ehepartner zeigten sich dennoch erfreut über ihre Rehabilitation und den Sieg der Wahrheit, auch wenn dafür 32 Jahre unablässiger Kampf nötig waren. Der Totenschein ihrer Tochter Azaria weißt nun als Todesursache einen Dingo-Angriff aus.